Welt- und Europameisterschaften sind für deutsche Nachwuchsfußballer in der jüngeren Vergangenheit oft enttäuschend verlaufen. Woran liegt das? Und was wird bei den europäischen Nachbarn anders gemacht? Womöglich sogar besser?
Unter anderem mit diesen Fragen haben sich Experten in den vergangenen Wochen und Monaten beschäftigt – auch aus dem FVM. Zur Saison 2024/25 werden von den Bambinis bis zur U 11 deutschlandweit Maßnahmen umgesetzt, die die Talentförderung verbessern sollen.
„Es war klar zu sehen, dass der deutsche Jugendfußball reformiert werden muss“
Felix Eiting, Verbandssportlehrer und Trainer der U 16 und U18-Auswahlteams hat sich intensiv mit dem Thema beschäftigt. Der 27-jährige hat genau geschaut, wie in anderen Verbänden trainiert wird. „Es war klar zu sehen, dass der deutsche Jugendfußball reformiert werden muss“, sagt Eiting. „Und das haben wir umgehend umgesetzt. Der wichtigste Baustein des neuen Konzepts ist, dass im Jugendfußball der Fokus stärker auf die Kinder gesetzt wird. Denn in dieser Altersklasse wird die Grundlage gelegt. Hier müssen wir den Spielspaß fördern, mehr Ballkontakte ermöglichen sowie für leistungsgerechte Herausforderungen und für eine bessere Förderung aller Kinder sorgen.“
Aber was bedeutet das konkret? Der Spaß und die individuelle Entwicklung stehen von nun an im Vordergrund, nicht die Mannschaftstaktik oder die Gegnervorbereitung. Trotzdem bleibt das Verlieren und Gewinnen ein wichtiger Bestandteil im Jugendfußball. Auch in den Leistungszentren soll die individualisierte Talententwicklung noch stärker im Mittelpunkt stehen. Ein Blick in die Nachbarländer zeigt: Diese Schritte sind notwendig, um in den kommenden Jahren wieder zu den besten Fußballnationen der Welt zu gehören.
Eiting sagt: „Natürlich hat jede Fußballnation ein anderes Konzept, doch die Entwicklung geht bei allen in die gleiche Richtung. Wichtig sind Spaß, Tore, Ballkontakte, Dribblings und die Förderung der Basisfähigkeiten. Deshalb lohnt sich ein Vergleich mit unseren Nachbarländern und den Top-Nationen Europas. Es geht nicht darum, etwas zu kopieren. Es geht vielmehr darum, zu verstehen, warum andere zuletzt etwas an uns vorbeigezogen sind.“
Beispiel: Entwicklung der Jugendarbeit in England
Ein konkretes Beispiel: England zählte in den vergangenen Jahren zu den besten Ausbildungsländern im Fußball. Nachdem der Erfolg in der Nationalmannschaft ausblieb und auch in der Premier League immer mehr ausländische Spieler zum Einsatz kamen, entschieden sich die Engländer für eine Jugendfußballreform. In diesem Zusammenhang wurden unter anderem die Nachwuchsleitungszentren reformiert.
Ein weiterer wichtiger Faktor für die erfolgreiche Jugendarbeit war die Anpassung der Kinderfußball-Formate. Dabei gibt es weder ein festgelegtes Spielformat noch ein Ligensystem. Stattdessen gibt es Turniertage, wofür der englische Fußballverband (FA) bestimmte Spielformen vorschlägt. In der Praxis bedeutet das, dass vor jedem Spiel das Spielformat und die Spielregeln individuell angepasst werden. Vorgegeben ist dabei nur eine Sache: Alle Spieler müssen zum Einsatz kommen. Dabei spielen die Kinder bis zur U 10 auf Kleinfeldern mit maximal sieben Spieler.
Der englische Fußballverband geht bei unterschiedlichen Leistungsniveaus sogar noch einen Schritt weiter: Führt eine Mannschaft mit vier Toren, wird die sogenannte „Power Play Law“ empfohlen. Hier bekommt die schwächere Mannschaft einen Spieler mehr und dadurch eine Überzahl. Schrumpft dadurch die Tordifferenz wieder, wird ein Spieler wieder rausgenommen. Wird die Tordifferenz aber weiter erhöht, wird ab einem Abstand von sechs Toren ein zweiter zusätzlicher Spieler vorgeschlagen, so würde aus einem Fünf-gegen-Fünf ein Sieben-gegen-Fünf werden.
Man kann den Blick auch nach Frankreich, Belgien, in die Niederlande oder die Schweiz richten. Auch hier erkennt man, dass ganz klar die individuelle Entwicklung entscheidend ist. Wettbewerbe oder Ligen sind von der U 6 bis zur U 13 noch kein Thema. „Die Kinder sollen sich an den Fußball herantasten, erste Teamerfahrungen sammeln und sich nicht nur spielerisch, sondern auch persönlich entwickeln“, sagt Eiting. „Um trotzdem erste Wettkampferfahrungen zu sammeln, können Teams bei Turnieren mit drei, vier, fünf oder acht Spieler*innen gegeneinander antreten. Spielfeld-, Ball- und Torgröße variieren dabei je nach Altersklasse.“
Diesen Weg gehen zur neuen Saison auch der DFB und die Landesverbände. Die Kritik, man schaffe durch die Reform den Leistungsgedanken ab, bestätigt sich im internationalen Vergleich nicht. Denn in vielen Ländern Europas gibt es schon seit einigen Jahren ähnliche Kinderfußball-Konzepte. Nationen wie England oder Belgien haben damit bereits sehr gute Erfahrungen gemacht und profitieren jetzt von ihren ausgebildeten Talenten.
Diese Maßnahmen werden zur kommenden Saison umgesetzt
Nach einer fünfjährigen Pilotphase erfolgt die bundesweite Umsetzung der neuen Spielformen im Kinderfußball – auch im FVM. Sie lösen die bisherigen Wettbewerbsangebote in der G-, F- und E-Jugend als feste Formate ab. Die Regelungen greifen verbindlich mit Beginn der Saison 2024/25. Eine Übersicht der wichtigsten Maßnahmen:
- In der G- und F-Jugend wird keine Meisterschaftsrunde ausgetragen. Stattdessen sind Spielenachmittage und Festivals mit mehreren Mannschaften und Spielfeldern vorgesehen. Integriert in die Spielformen ist ein Rotationsprinzip mit festen Wechseln der Spieler, um allen Kindern Einsatzzeiten zu ermöglichen. Wichtigstes Ziel der Reform in den Altersklassen U 6 bis U 11 ist es, mit einer kindgerechten Art des Fußballs den Spaß am Spiel nachhaltig zu fördern.
- In der G-Jugend wird Zwei-gegen-Zwei oder Drei-gegen-Drei gespielt. In der F-Jugend Drei-gegen-Drei, alternativ ist auch ein Fünf-gegen-Fünf möglich. Und in der E-Jugend treten die Teams im Fünf-gegen-Fünf oder im Sieben-gegen-Sieben gegeneinander an. Je nach Altersklasse verändert sich die Spielfeldgröße. Gespielt wird mit bis zu vier Mini-Toren. In der F-Jugend wird auf Kleinfeldtore mit Torhöhenreduzierung gespielt.
- Die Fair-Play-Grundsätze sind zu beachten: Die Spiele werden ohne Schiedsrichter ausgetragen. Die Kinder treffen die Entscheidungen auf dem Platz selbst. Die Trainer geben nur die nötigsten Anweisungen und halten sich zurück. Sie unterstützen die Kinder unter Berücksichtigung ihrer Vorbildfunktion aus einer gemeinsamen Coaching-Zone. Alle Zuschauer halten mindestens drei Meter Abstand zum Kleinspielfeld ein, wobei das Großfeld nicht betreten werden soll. Dies gilt insbesondere auch für Familienmitglieder der Spieler.
Weitere Informationen zum Kinderfußball im FVM finden Sie hier.
Hier geht es zu der News "Trainingsphilosophie Deutschland: Neuerungen für das Nachwuchstraining im FVM"
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