Thomas Wicht (71) hat den Fußball schon aus vielen Perspektiven erlebt. In mehr als vier Jahrzehnten als Unparteiischer und Schiedsrichterassistent stand der Troisdorfer bei zahlreichen Amateur-, Bundesliga-, Regionalliga- und UEFA Champions League-Spielen auf dem Platz, als Vorsitzender führte er über mehrere Jahre den im Fußballkreis Bonn ansässigen SSV Heimerzheim und er absolvierte eine Ausbildung zum Vereinsmanager. Inzwischen engagiert sich der pensionierte Polizeibeamte, der immer noch als Unparteiischer im Kreis Bonn im Einsatz ist, als FVM-Sicherheitsbeauftragter. Sein Augenmerk gilt dabei der Unterstützung der Vereine, um ein friedliches und faires Miteinander auf und neben den Fußballplätzen am Mittelrhein zu gewährleisten.
Herr Wicht, was genau ist Ihre Aufgabe als FVM-Sicherheitsbeauftragter?
Meine Tätigkeit besteht darin, die Vereine des Verbandes und auch den FVM selbst als Ausrichter des Endspiels im Bitburger-Pokal in sicherheitsrelevanten Aspekten zu beraten. In erster Linie sehe ich mich dabei als Bindeglied zwischen Vereinen und Verband. Denn ich erstelle unter anderem gemeinsam mit den Klubs Sicherheitskonzepte und unterstütze diese, wenn es etwa um die Einrichtung von Fluchtwegen, um die Themen Brandschutz, Videoüberwachung oder Einlasskontrolle geht. Ganz wichtig ist dabei: Es geht um Beratung, nicht um das Erteilen von Anweisungen. Letztlich ist der Verein verantwortlich und haftet beispielsweise bei fahrlässigem Verhalten. Ich möchte Vereinsverantwortliche und auch Schiedsrichter so beraten, dass sie möglichst umfassend geschützt sind. Darüber hinaus arbeite ich mit der Polizei, den Ordnungsämtern und anderen Behörden zusammen, um etwa bei Pokalspielen oder Partien mit vielen Zuschauer*innen sicherheitsrelevante Maßnahmen abzustimmen.
Sie haben bei der Kriminalpolizei gearbeitet, als Schiedsrichter-Assistent ein Europapokal-Match in der Arena von Feyenoord Rotterdam erlebt und in der Regionalliga Spiele mit aufgeladener Atmosphäre vor großer Kulisse geleitet. Prädestiniert diese Erfahrung für die jetzige Aufgabe?
Richtig ist, dass ich bis Mitte 2020 als Beamter bei der Kriminalpolizei in Köln tätig war. Zuletzt habe ich mich als Ermittlungsgruppenleiter mit den Geschehnissen bei der Loveparade 2010 in Duisburg befasst, wo 21 Menschen ums Leben kamen. Dabei stand auch die Prüfung vieler Sicherheitskonzepte und Abläufe im Blickpunkt. Das war vielleicht ein Grund, warum ich gefragt worden bin, ob ich mir eine ehrenamtliche Tätigkeit als Sicherheitsbeauftragter des FVM vorstellen könne. 2019 habe ich diese Aufgabe dann übernommen. In meinen 44 Jahren als Schiedsrichter unter anderem in der höchsten Amateurklasse und als Assistent in der Bundesliga und für die FIFA habe ich das Thema Sicherheit aus einer anderen Warte kennengelernt. Das gilt auch für meine Zeit als Vorsitzender des SSV Heimerzheim.
Das Thema Sicherheit erfährt häufig erst dann Interesse, wenn es unschöne Vorfälle gab oder Spiele mit großem Zuschauerinteresse oder problematischen Fangruppen anstehen. Wie können sich Vereine grundsätzlich das nötige Rüstzeug verschaffen?
Im Rahmen meines Engagements wurde von mir ein Leitfaden für die Sicherheit im Amateurfußball erstellt und im November 2023 an alle Vereine im FVM versendet. Mein Ziel war es, den Vereinen Hilfen an die Hand zu geben, damit sie in schwierigen Situationen richtig reagieren können. Der Vorstand hat eine sogenannte Verkehrssicherungspflicht, er ist also verpflichtet, den Verein so zu organisieren, dass es nicht zu Schadensfällen kommt. Verletzt der Vorstand diese Pflicht, haftet sowohl der Verein wie auch der Vorstand persönlich mit seinem Privatvermögen für dieses Organisationsverschulden. Zivilrechtliche Ansprüche des Geschädigten können ebenso folgen. Der Leitfaden erläutert Maßnahmen, um Schäden vorzubeugen und bei Vorkommnissen Ansprüche deutlich zu reduzieren oder sogar obsolet zu machen.
Für wen gilt dieser Leitfaden?
Für alle Vereine in allen Klassen. Zwar ist der Leitfaden umfangreich, aber er wurde so strukturiert, dass Vereine insbesondere jene Passagen in Augenschein nehmen können, die in ihrer jeweiligen Situation relevant sind. Ich betone, jeder Verein kann betroffen sein und wird dann froh sein, wenn er geeignete Maßnahmen im Vorfeld getroffen hat.
Erreichen Sie seit der Veröffentlichung des Leitfadens vermehrt Anfragen und worum geht es dabei?
Das Spektrum ist groß. Es kann beispielsweise um die Sicherheit von Schiedsrichter*innen auf dem Weg in die Kabine oder das Fehlverhalten von Zuschauer*innen gehen. Bei Vereinen in höheren Ligen spielen der Missbrauch von Pyrotechnik oder gewaltbereite Anhänger eine Rolle. Mit Schiedsrichter*innen spreche ich aber auch über die Umsetzung des Kapitänsdialogs und des DFB-STOPP-Konzepts, einem Maßnahmenpaket, das die Landesverbände zur Gewaltprävention verabschiedet haben. Ich stehe gerne mit Rat und Tat zur Seite. Von einem Verein bin ich sogar eingeladen worden, vor Trainern, Betreuern und Vereinsfunktionären vorzutragen. Auf der Staffelleitertagung des FVM habe ebenfalls ich zu diesem Thema referiert. Schiedsrichter, auch aus höheren Klassen, haben angefragt und beispielsweise die Ordnersituation in den Stadien und seitens der Vereine erfragt. Ganz klar, das Interesse an Beratung ist vorhanden.
Mit welchen Herausforderungen sehen sich Vereine konfrontiert?
Die Vorkommnisse, die ich jede Woche vom WDFV zugesandt bekomme, lassen erkennen, dass schwierige Situationen meist unerwartet entstehen und der Verein dann schnell reagieren muss. Leider gibt es im Jugendbereich, selbst in den jüngsten Altersklassen, immer häufiger unschöne Vorkommisse. Hier ist besonders wichtig, präventiv tätig zu sein. Der Fairplay-Gedanke muss bei allen Fußballspielern*innen immer wieder thematisiert werden und ein entsprechendes Verhalten von Trainern*innen, Betreuern*innen und Eltern eingefordert und vorgelebt werden. Vielfach spiegeln sich im Fußball gesellschaftliche Problem wider. Bei Vorfällen ist eine schnelle Reaktion unerlässlich, zum Beispiel, indem man bei Spielen Ordner bereitstellt.
Aber woher sollen diese Kräfte kommen?
Das können Ehrenamtler*innen sein. Spieler*innen aus weiteren Mannschaften oder Mitglieder aus den Reihen der Alten Herren. Ich habe dabei Verständnis für die Situation der Vereine, Ehrenamtler*innen sind nicht im Überfluss vorhanden. Aber man sollte Prioritäten setzen. Die Sicherheit der Beteiligten muss an erster Stelle stehen. Die Ordner müssen selbstverständlich vom Vorstand über ihre Rechte informiert werden. Details dazu können dem Leitfaden entnommen werden.
Was können Vereine sonst noch konkret tun, um die Sicherheit auf der eigenen Anlage zu verbessern?
Ich halte die Benennung eines Sicherheitsbeauftragten (SiBe) für sinnvoll, um vorbereitet zu sein. Ich habe dazu ein Profil erstellt, das ich den Vereinen gerne zur Verfügung stelle. Der ehrenamtliche Sicherheitsbeauftragte könnte den reibungslosen Ablauf der Heimspiele aller Mannschaften im Blick haben und prüfen, welche Maßnahmen erforderlich sind. Er würde damit einen großen Beitrag zum Schutz und Wohlbefinden der Sportler*innen, Schiris, Zuschauer*innen und ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen leisten. Vielerorts gibt es Mitglieder, die in einem Sicherheitsdienst oder ähnlichen Unternehmen tätig sind, Vorwissen mitbringen und vielleicht gerne diese Aufgabe übernehmen. Nur muss sie jemand ansprechen.
Haben Sie noch weitere Tipps?
Ich empfehle die Erstellung einer sichtbar ausgehängten Stadionordnung und bin gerne bei der Erstellung behilflich. Diese schützt den Verein und seinen Vorstand vor rechtlichen Risiken. Sie enthält Gebote und Verbote, ist rechtlich bindend und definiert Rechte und Pflichten, um einen geordneten, sicheren und rechtskonformen Betrieb zu gewährleisten. Der Verein hat somit beispielsweise auch das Recht, von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen und Stadionverbote zu verhängen.
Thomas Wicht, Sicherheitsbeauftragter des FVM, ist für Vereinsvertreter unter 0172/2430005 oder per E-Mail ( thomas.wicht(at)fvm.de) zu erreichen. Er steht mit Rat zur Seite und steht für Vereinsbesuche bereit.